'Yet removed from the living'. Epistemologien des Untoten

'Yet removed from the living'. Epistemologien des Untoten

Veranstalter
Graduiertenkolleg "Lebensformen & Lebenswissen" (Frankfurt an der Oder; Potsdam)
Veranstaltungsort
Zentrum für Literatur- und Kulturforschung, Schützenstr. 18
Ort
Berlin
Land
Deutschland
Vom - Bis
08.06.2012 - 09.06.2012
Von
Erica Weitzman

I was neither
Living nor dead, and I knew nothing,
Looking into the heart of light, the silence.
T. S. Eliot, “The Waste Land”

----english version below----

Die emphatisch aufgeladenen Begriffe „Leben“, „Lebendigkeit“, „Erleben“ und „Belebung“ stehen traditionell in Opposition zu zwei anderen Begriffen: zum Tod/dem Toten auf der einen und zum Anorganischen oder zur Maschine und deren bloßer Mechanik auf der anderen Seite. Seit der Aufklärung wird diese doppelte Grenzziehung gewöhnlich im Sinne eines sich ausschließenden Entweder-Oders gedacht. Dennoch finden und fanden sich immer wieder Überschreitungen dieser Grenzen: in Mythen, in denen Tote zum Leben erweckt oder Sterbliche unsterblich werden; in Transsubstantiations- und Heilsgeschichten, in Form von Wiedergängern; in Bildern und Narrationen von Untoten, in Spekulationen über Maschinenmenschen und andere hybride Wesen. Schließlich lösen auch Temporalisierungen die oppositionelle Logik auf und Formen eines Noch-nicht oder eines Nicht-mehr durchkreuzen den gegenseitigen Ausschluss von Leben und seinem Anderen.

Die Konferenz fragt nach dem Verhältnis zwischen der (Verun-)Sicherung jener Lebensgrenzen und der (Verun-)Sicherung von Wissensgrenzen in der Moderne. Welche Rolle kommt bestimmten Topoi und strukturellen Formationen im Bereich zwischen Leben und Nicht-Leben bei der Erzeugung, Affirmation oder Infragestellung von Gewissheiten und Evidenzen zu? Welche Art von Wissen und von Lebensformen wird dabei generiert, vorausgesetzt oder unterminiert? Was weiß ein Text, ein Bild oder ein untotes Wesen von sich und seinen Wahrheits- bzw. Verlebendigungsseffekten? Inwiefern haben jene Grenz(über)gänger die Funktion, binäre Ordnungen zu reflektieren, indem sie mit ihrer Aufhebung drohen oder locken?

Ausgehend von ambivalenten Figuren der Verunsicherung von Leben und Wissen geht es darum, Fragen nach der Evidenz, nach der Darstellung und Medialität sowie nach den Rationalitäten und Politiken des Untoten nachzugehen.

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The heavily loaded concepts “life,” “liveliness,” “living through,” and “bringing to life” stand in direct contrast to two other, opposed, concepts: on the one hand, that of death and the dead, and on the other, that of the anorganic or the mechanical. Since the Enlightenment era, this double demarcation is usually thought of in the sense of an exclusively either/or relation. And yet this demarcation finds itself continually transgressed: in those myths in which the dead wake again to life or in which mortal beings are made immortal; in narratives of transubstantiation and religious salvation; in stories of revenants and ghosts; in images and tales of the undead; in thinking on automata, cyborgs, and other similar hybrid beings; and finally, in the temporality that breaks down such oppositional logic and the various forms of not yet or no longer that profoundly challenge the mutual exclusion of life and its others.

This conference seeks to examine the relation between the (dis-)establishment of this delimitation of life and the corresponding (dis-)establishment of categories of knowledge in the modern era. What role do the particular topoi and structural formulations of the zone between the living and the non-living take on in terms of the generation, affirmation, or questioning of certainty and evidentiary claims? What kinds of knowledge and what kinds of life-forms are thereby produced, presumed, or undermined? What knowledge of itself and its truth- or reality-effects does a text, an image, or an undead being possess? To what extent do such border-crossers or -transgressors reflect upon the binary regimes that they themselves threaten or court through their own abrogation thereof?

Starting from these ambivalent figures of the troubling of life and of knowledge, the conference will accordingly consider the questions of evidence, representation, and mediality – as well as of the inner logic and politics – posed by the undead.

Programm

Freitag, 8.6.2012

9.00 Begrüßung durch Andrea Allerkamp (Frankfurt/Oder)

9.15 Einführung: Erica Weitzman und Carolin Blumenberg

9.30 Evelyn Annuß (Bochum): Elfriede Jelineks Theater of the Living Dead

10.45 Eric Santner (Chicago): Economies of Spectrality

11.45 Alastair Hunt (Portland): Death by Birth

14.15 Felix Ensslin (Stuttgart): Sinnloses Denken: Das Reale Unbewusste als Denken des Untoten?

15.15 Erica Weitzman (Konstanz): "Ich bin nicht krank, ich bin ja tot": Walsers kryogene Kunst

16.30 Constanze Demuth (Dresden): Lebens-Gestalten. Gewöhnliche und unheimliche Beispiele in der Philosophie der Alltagssprache

18.00 Abendvortrag: Anselm Haverkamp (New York): Un-done by Death - Konjunkturen der Untoten. Von Dante bis Darwin mit Kafka und Eliot

Samstag, 9.6.2012

9.30 Lisa Akervall (Berlin): Perspektiven des Untoten. Die Erfahrung kinematographischer Automatismen

11.30 Stefanie Diekmann (Hildesheim): Fotografische Wiedergänger. Notizen zur Geisterfotografie

11.45 Elisabeth Strowick (Baltimore): "Schatten eines Lebendigen". Realitätseffekte des Untoten bei Theodor Storm

14.15 Dirk Quadflieg (Frankfurt/Main): Der Geist ist ein Ding. Hegel mit Hamlet

15.15 Carolin Blumenberg (Frankfurt/Oder): "Absent Matters". Von Zombies und Geistern in der Philosophie

16.30 Alexandra Heimes (Frankfurt/Oder): Unbegraben: Antigone in der Moderne

19.00 Gemeinsames Abendessen

Kontakt

Untote2012@googlemail.com

erica.weitzman@nyu.edu

http://www.gk-lebensformen-lebenswissen.de
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